Kommentar: Das Volk braucht klare und transparente Informationen!

Eine Familie im Gemüsegarten Lộc Hưng in Saigon/Ho-Chi-Minh-Stadt beschwert sich über die Zerstörung ihres Hauses durch die Regierung (Video: AMEN Tv/Redemptoristen Vietnam)

Emeritierter Bischof von Kontum Michael Hoàng Đức Oanh zu Besuch beim Gemüsegarten Lộc Hưng in Saigon/Ho-Chi-Minh-Stadt am 06.01.2019 (Video: AMEN Tv/Redemptoristen Vietnam)

Zahlreiche Netizens wie Rechtsanwalt Trẩn Vũ Hải, die freie Journalistin Bạch Hoàn oder Blogger Trương Huy San (Osin Huy Đức) haben in den vergangenen Tagen über die Zwangsenteignung im Gemüsegarten Lộc Hưng im Distrikt Tân Bình, Saigon/Ho-Chi-Minh-Stadt geschrieben.

Meinung von Lâm Minh Chánh

Diese Angelegenheit ist wichtig, doch die Presse berichtet nicht darüber. Und der Staat sagt auch nichts dazu.

Als Bürger habe ich das Recht auf klare Informationen und das Recht, die Wahrheit zu kennen, um sagen zu können, ob die Regierung von Ho-Chi-Minh-Stadt in der Sache richtig oder falsch handelt. Wenn die Stadtregierung alles richtig macht, dann hat sie meine Unterstützung. Wenn sie doch falsch agieren sollte, dann muss sie ihre Fehler ausbessern. Die Bürger dieser Stadt können nicht ein „zweites Thủ Thiêm“ akzeptieren.

Hochachtungsvoll,

Lâm Minh Chánh, Bürger

Zerstörte Häuser kurz vor dem vietnamesischen Neujahr, zahlreiche Familien verlieren dadurch ihre Bleibe (Bild: Facebook May Phan)

Meinung von Trần Vũ Hải, Rechtsanwalt aus Hanoi (via Facebook Vu Hai Tran)

Feige Presse, feige Journalisten!

Die Zwangsenteignung von zahlreichen Familien im Gemüsegarten Lộc Hưng im Distrikt Tân Bình, Saigon/Ho-Chi-Minh-Stadt geht schon seit fast einer Woche voran. Viele der hier ansässigen sagen, dass diese Gegend vornehmlich von Familien bewohnt wurde, die 1954 nach dem Genfer Abkommen aus Nordvietnam hierher geflüchtet sind. Obwohl sie keine Dokumente besaßen, haben sie trotzdem die Bezirksregierung darum gebeten, ihnen eine Genehmigung für Nutzung des Grundstückes nach dem Landrecht der Sozialistischen Republik Vietnam auszustellen, doch die Bezirksregierung reagierte nicht darauf. Jetzt begründet die Stadtregierung den Abriss der Häuser mit der Absicht, eine neue öffentliche Schule bauen zu wollen, doch es gibt keinen Erlass, die betreffenden Grundstücke einziehen zu lassen oder die rechtlich geregelten Entschädigungen auszahlen zu lassen, was dazu führt, dass die Bevölkerung vor Ort unter den Aktionen leiden muss.

Was verwundert ist, dass noch kein Pressemedium, noch kein vietnamesischer Journalist, vor allem denen in Saigon/Ho-Chi-Minh-Stadt, sich dazu geäußert hat. Wenn die Ansässigen falsch handeln sollten, dann sollte denen gezeigt werden, was sie falsch machen. Wenn die Regierung Fehler macht, dann muss das auch so geschrieben werden. Doch alle Pressemedien, alle Journalisten, auch online, versinken im Schweigen. Sind diese Menschen, denen ihre Häuser genommen wurden, etwa keine Landsleute? Ist dieser Gemüsegarten Lộc Hưng etwa ein „fremdes Land“, welches sie nicht kennen?

Für mich ist das eine feige Presse, feige Journalisten! Ich entschuldige mich bei meinen zahlreichen Freunden, die als Journalisten arbeiten, wenn ich es etwas zu hart ausgedrückt haben sollte! Doch das ist nun mal die Wahrheit.

Und wer meiner Meinung ist, der möge diesen Beitrag teilen!

Hoàng Công Minh legt sich vor eine Planierraupe, um das Grundstück zu verteidigen, welches seine Familie seit 1954 bewohnt und nun von der Stadtregierung von Ho-Chi-Minh-Stadt eingezogen werden soll (Bild: Screenshot/Thoibao.de)

Meinung von Bạch Hoàn, freie Journalistin aus Hanoi (via Facebook Bạch Hoàn)

Keine einzige Zeile.

Von vier Uhr morgens bis jetzt, habe ich fünfmal die Nachrichtenseite „Báo Mới“ (Anm. d. Red.: vietnamesische Seite, die alle großen Nachrichtenseiten zusammenfasst) und dort nach dem Stichwort „Gemüsegarten Lộc Hưng“ gesucht. Doch keine einzige Meldung wurde gefunden.

In der Zwangsenteignung im Gemüsegarten Lộc Hưng (Distrikt Tân Binh, Saigon/Ho-Chi-Minh-Stadt) kennt die Presse dem Volk und der eigenen Arbeitsethik als Journalist gegenüber keine Scham.

200 Häuser werden von heute auf morgen zu einem Haufen Schutt und Asche. Als die Regierung mit Baggern und Planierraupen dem Volk entgegentritt, dann ist das was noch übrig geblieben ist, nur noch kleine Brösel eines menschlichen Schicksals. Und dennoch schreibt die Presse keine einzige Zeile darüber.

200 Häuser wurden abgerissen, was bedeutet, dass mindestens genau so viele Menschen ihr Leid ertragen müssen. Eine Schande für den vietnamesischen Journalismus, der diese Zahl nicht finden kann. Und das obwohl sie wissen, dass egal ob es eine Person oder 1000 Personen sind, es tut gleichermaßen weh.

Keine anständige Regierung würde ihr Volk aus ihrem Haus auf die Straße jagen und sie zu Obdachlose verwandeln, nur um dann das Grundstück für wirtschaftliche Ziele zu nutzen.

Anstatt mit dem Volk zu diskutieren und zu verhandeln oder um zu verstehen, was der Wille des Volkes denn sei oder ihnen einen ordentlichen Wohnsitz zu geben, schickt die Regierung ihr eigenes Volk auf die Straße.

Die Regierung reißt Häuser ab, um das Land der Wirtschaft zu überlassen, das sie wiederum Häuser bauen kann, um diese zu verkaufen.

Das ist der Vorfall des Gemüsegartens Lộc Hưng und doch schreibt die Presse keine einzige Zeile darüber.

Meinung von Trương Huy San („Osin Huy Đức“, Blogger, aus Hanoi via Facebook Truong Huy San)

„Was gab es zuerst? Das Land oder das Nutzungsrecht?“

Seit den Zwangsenteignungen im Distrikt Tân Bình und den Abrissen von Häusern im „Gemüsegarten Lộc Hưng“, habe ich viele Journalisten gefragt, warum die Presse sich nicht zu Wort melde. Einige von ihnen sagten, sie würden gerade daran arbeiten, doch bist jetzt wurde noch keine einzige Zeile darüber geschrieben und veröffentlicht. Warum? Selbst wenn das Volk Fehler macht, müsste die Presse darüber berichten.

Wenn tatsächlich, „die Menschen hier seit 20-30 Jahren Steuern zahlen und alle rechtlich relevanten Dokumente hätten“, „der Gemüsegarten seit 1954 genutzt wird“, dann müsste laut dem Landgesetz von 1993 das Nutzungsrecht für die Menschen hier ausgestellt werden. Im Falle, dass der Staat eine öffentliche Schule hierhin bauen will, müsste sie die Menschen hier entschädigen, egal ob die gültige Bescheinigungen haben oder nicht.

Land ist eine natürliche Ressource und das gab es schon bevor es irgendeinen Staat oder Gesetze gab. Seit tausenden von Generationen besitzen Menschen das Land auf eine natürliche Art, sei es durch Kultivierung, Restaurierung oder Nutzungsübertragung. Vietnam würde sich nicht von Ải Nam Quan im obersten Norden bis zum Cap Cà Mau im tiefsten Süden ziehen, wenn es nicht die Menschen gegeben hätte, die mit ihrer Hacke neue Gebiete entdeckt haben.

Dem Landgesetz zufolge, dann haben „Familien oder Einzelpersonen, die ein Grundstück mit Wohnfläche oder anderen Bauten mit Baudatum vor dem 15. Oktober 1993“ das Recht das Nutzungsrecht für das betreffende Grundstück mit allen darauf befindlichen Bauten zu bekommen, auch wenn es zuvor illegal oder außerhalb der Entwicklungspläne der Stadt war.

Dokumente sind nicht der einzige Weg, um das Eigentum zu bescheinigen. Das Zivilrecht regelt, dass das Grundstück der Person gehört, die es seit durchgehend 30 Jahren besitzt und ordnungsgemäß nutzt. Unsere Vorfahren hatten eine deutlich kürzere Zeitbegrenzung, wie zu Zeiten der Lý- und Trần-Dynastie: „Verlassene Felder, die bereits einen Landwirt hatten, können die alten Gutsherren innerhalb von einem Jahr zurückverlangen. Wer diesem Gesetz widerspricht, wird mit Abzug von 80 Längeneinheiten (umgerechnet 32 Metern) bestraft.“

Einfach das Nichtvorhanden von Dokumenten hernehmen, um das Land vom Volk zu nehmen. Ohne Volk, ohne Menschen, ist das Land nicht mehr als nur ein Friedhof.“

Erklärvideo um Ursprung des Gemüsegartens Lộc Hưng, 6. Bezirk, Distrikt Tân Bình, Saigon/Ho-Chi-Minh-Stadt (Video: AMEN Tv/Redemptoristen Vietnam)

Ein von der Stadtregierung zerstörtes Haus im Gemüsegartens Lộc Hưng

Bescheid des Volkskomitees des 6. Bezirks im Distrikt Tân Bình zur Zwangsenteignung und Abriss der Häuser im Gemüsegarten Lộc Hưng

Zum Gemüsegarten Lộc Hưng

Der Gemüsegarten Lộc Hưng wurde im Jahr 1954 von Nordvietnamesen in Saigon gegründet. In jenem Jahr wurde das Genfer Abkommen unterzeichnet, was in einer Teilung Vietnams am 17. Breitengrad in einen Norden und einen Süden resultierte. Dennoch durften in einem Zeitraum von 300 Tagen sich die Menschen frei zwischen den beiden Zonen bewegen und sich niederlassen. Circa eine Millionen Nordvietnamesen, meist Katholiken, sind in den Süden gezogen. In der Hauptstadt Saigon haben sie sich ab 1954 vornehmlich im Distrikt Tân Bình niedergelassen und dort auch den Gemüsegarten Lộc Hưng gegründet. Dieses Gebiet wurde vor 1954 von der Pariser Mission (MEP) besiedelt.


 

Kasse animation 7.8.2023