Kommentar: Hinter dem Bild

Am 05.04.2018 eröffnete das Volksgericht der Stadt Hanoi den Prozess gegen sechs Menschenrechtsaktivisten: Frau Lê Thu Hà, Journalist Trương Minh Đức, Pastor Nguyễn Trung Tôn, Rechtsanwalt Nguyễn Văn Đài, Ingenieur Phạm Văn Trội und Rechtsexperte Nguyễn Bắc Truyển. Die meisten von ihnen sind Mitglieder der „Brüderschaft für Demokratie“.

Auf Facebook hat Nguyễn Trung Trọng Nghĩa, Sohn des angeklagten Pastors Nguyễn Trung Tôn, einige traurige Geschichten preisgegeben, als er das Bild seines Vaters vor Gericht sah. Einige meinen, dass genau dieses Bild in die Geschichte im Kampf für Freiheit und Demokratie für das vietnamesische Volk eingehen wird.

Es folgt der Kommentar von  Nguyễn Trung Trọng Nghĩa, Sohn des angeklagten Pastors Nguyễn Trung Tôn:

Viele sagen, dass mein Vater und alle anderen auf dem Bild sehr stolz und heldenhaft aussehen. Ich stimme zu, aber wenn ihr genauer hinseht, dann werdet ihr folgendes sehen:

– Das Erscheinungsbild meines Vaters, Pastor Nguyễn Trung Tôn, ist sehr grob. Einfach zu erklären, denn er stammt aus einer Bauernfamilie. Hinter ihm steht eine arme Familie, eine blinde Mutter, eine kranke Ehefrau, die sich um alles kümmert und zwei kleine Kinder, die den Schutz und die Erziehung ihres Vaters brauchen.

Er steht immer schief und das hat seinen Grund. Er wurde bei einer Wohltätigkeitsaktion in Zentralvietnam geschlagen und deshalb sind seine Bänder gerissen. Das war fünf Monate bevor er verhaftet wurde. Seine Brille kann er ebenfalls nicht normal tragen, sondern am Ende des Nasenbeins, weil seine Augen zu oft Blut und Tränen vergossen haben für jedes Mal, das er wegen seiner Arbeit für Menschenrechte in Vietnam gefoltert wurde. Dabei habe ich noch nicht erwähnt, dass viele Monate in Haft seine Haut veraltete und fleckig wurde, da es in der Haft wenig Tageslicht und sauberes Wasser gab.

– Die Haare meines „Onkels“,  Rechtsanwalt Nguyễn Văn Đài“, sind alle grau, weil er sich sehr viele Gedanken für eine Strategie zur Entwicklung von Demokratie in Vietnam gemacht hat. Vielleicht steckt hinter seiner Traurigkeit die Tatsache, dass er nicht seinen Eltern treu sein kann, sondern seinem Lande. Onkel Đài hat sich dazu entschieden dem Land treu zu sein, nur damit er im Gefängnis sitzt und seinen Eltern nicht die Taten zurückzahlen kann. Sein leiblicher Vater starb, als er illegalerweise festgenommen wurde. Der Vater konnte seinen Sohn nie wieder sehen. Außerdem durfte Onkel Nguyễn Văn Đài auch nicht zur Beerdigung von seinem eigenen Vater.

Ich kann euch nicht dazu zwingen all diese traurigen Geschichten zu lesen, weshalb ich hier erst mal Schluss mache. Was ich mit diesen Geschichten euch allen sagen will ist, dass jedes Gesicht vor dem Gericht immer seine Geschichte dahinter hat. Hinter dem selbstbewussten und harten Auftreten ist ein Schmerz von Patrioten, die wegen dem Namen Vietnam mit jahrelanger Haft rechnen müssen.

Bitte vergesst meinen Vater nicht. Bitte vergesst nicht Onkel Đài. Bitte vergesst nicht die anderen sechs Aktivisten, die heute verurteilt werden und bitte vergesst auch nicht diejenigen, die gerade mit den Fesseln des Regimes für die Vorteile des Volkes kämpfen.

„Demokratie ist keine Schuld.“

Frau Lê Thu Hà vor Gericht am 05.04.2018

Rechtsexperte Nguyễn Bắc Truyển vor Gericht am 05.04.2018

Journalist Trương Minh Đức (Mitte) während dem Prozess am 05.04.20184

Nguyễn Trung Trong Nghĩa – via facebook Nghia Trung Trong Nguyen

Das Volksgericht der Stadt Hanoi verkündete am 05.04.2018 folgendes Urteil:

Rechtsanwalt Nguyễn Văn Đài: 15 Jahre Haft, 5 Jahre Hausarrest
Pastor Nguyễn Trung Tôn: 12 Jahre Haft, 3 Jahre Hausarrest
Journalist Trương Minh Đức: 12 Jahre Haft, 3 Jahre Hausarrest
Rechtsexperte Nguyễn Bắc Truyển: 11 Jahre Haft, 3 Jahre Hausarrest
Frau Lê Thu Hà: 9 Jahre Haft, 2 Jahre Hausarrest
Ingenieur Phạm Văn Trội: 7 Jahre Haft, 1 Jahr Hausarrest
 

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