Zum Berufungsurteil gegen die bekannte vietnamesische Bloggerin und Menschenrechtsaktivistin Nguyen Ngoc Nhu Quynh („Mother Mushroom“) sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, heute (30.11.):
„Ich bin traurig und empört über die Bestätigung des Hafturteils gegen die Bloggerin und Aktivistin Nguyen Ngoc Nhu Quynh. Für die Ausübung ihrer von der vietnamesischen Verfassung geschützten Meinungsfreiheit soll sie 10 Jahren ins Gefängnis. Das Urteil verstößt gegen internationale Verträge zu bürgerlichen und politischen Rechten, denen Vietnam sich selbst verpflichtet hat.
Frau Quynh hat sich gegen soziale Missstände und Korruption eingesetzt. Sie hat mit ihrer journalistischen Arbeit auf die hohe Zahl ungeklärter Todesfälle in Haft und Polizeigewahrsam aufmerksam gemacht. Und sie hat sich in Zentralvietnam unermüdlich für die von einer Umweltkatastrophe betroffenen Fischer und deren Familien engagiert.
Festnahme, Prozess und Urteil gegen Frau Quynh sind umso unverständlicher, als sie sich gerade dort engagiert, wo die vietnamesische Regierung selbst den dringendsten Reformbedarf definiert hat: Rechtmäßigkeit der Verwaltung, Umwelt und Verbraucherschutz. Für mich ist klar: Ohne bürgerschaftliches Engagement und mehr Transparenz wird sich das Ziel einer nachhaltigen Modernisierung des Landes nicht erreichen lassen.
Leider passt die Entscheidung des Berufungsgerichts zu der langen Reihe an Festnahmen, Verurteilungen, polizeilichen Schikanen und zum Teil gewalttätigen Attacken gegen Journalisten, Blogger, Aktivisten und Anwälte in den vergangenen Monaten. Die Meinungs- und Pressefreiheit in Vietnam und deren Verfechter haben 2017 in präzedenzloser Weise unter staatlichen Attacken gelitten. Ich rufe die vietnamesische Regierung dazu auf, Frau Quynh und zahlreiche andere politische Häftlinge freizulassen, verfassungsmäßig garantierte Grundrechte zu achten und rechtsstaatliche Verfahren einzuhalten.“
Hintergrund:
Frau Quynh ist eine der bekanntesten Bloggerinnen Vietnams und schreibt unter dem Pseudonym „Mother Mushroom“. Sie erhielt 2015 den Menschenrechtspreis der schwedischen NGO Civil Rights Defenders. Nach ihrer Inhaftierung im Oktober 2016 verlieh ihr First Lady Melania Trump im März 2017 den International Women of Courage Award in den USA.
In ihren Beiträgen konzentriert sich Quynh auf soziale Missstände, staatliche Misswirtschaft, Umweltverschmutzung und Haftbedingungen. Zuletzt war Quynh besonders aktiv im Kampf für die Rechte von Fischern in Zentralvietnam, die von einer durch Industrieabfälle ausgelösten Umweltkatastrophe betroffen sind. Frau Quynh prangerte unter anderem die Untätigkeit der Behörden gegenüber finanzstarken Umweltsündern an. Auch setzte sie sich für inhaftierte Aktivisten und deren Familien ein.
Vor allem mit Blick auf ihr Umweltengagement waren Quynh und ihre Familie ab Herbst 2016 verstärkt Zielscheibe von Repressalien etwa durch öffentliche Bloßstellung in ihrem Heimatort geworden. Am 10. Oktober 2016 war Quynhs Haus von dutzenden Polizisten durchsucht und sie selbst festgenommen worden. Die Verurteilung zu 10 Jahren Haft folgte Ende Juni 2017.
Die EU, Deutschland, die USA und weitere Staaten haben sich in den vergangenen Monaten intensiv für Quynh eingesetzt – unter anderem in Stellungnahmen, offiziellen Gesprächen und im Rahmen des EU-Vietnam-Menschenrechtsdialogs. Der Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe hat eine parlamentarische Patenschaft für Quynh übernommen.
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Vietnamesische Bloggerin und Menschenrechtsaktivistin Nguyen Ngoc Nhu Quynh („Mother Mushroom“) . Foto 30.11.2017 im Da Nang, Vietnam.
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